Übergabe der IHK-Resolution zum Dyneon-Aus – Ministerpräsident Dr. Markus Söder (Mitte) mit Ingrid Obermeier-Osl,
Vizepräsidentin der IHK München und Oberbayern und Vorsitzende des Regionalausschusses der IHK Altötting-Mühdorf und Reinhard Frauscher, stellv. Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf. 

 

 

Markus Söder beim Ortstermin im Schwindegger Holzwerk Obermeier: Ministerpräsident verspricht Finanzierung einer Studie für das Pilotprojekt Innovationsachse A94

von Martin Armbruster

 

Schwindegg. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kam persönlich – mehr politische Wertschätzung für ein mittelständisches Unternehmen geht in Bayern nicht. Insofern war der 14. April natürlich ein denkwürdiger Termin für Ingrid Obermeier-Osl, Geschäftsführerin des Schwindegger Holzwerks Obermeier und IHK-Vizepräsidentin sowie Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting – Mühldorf.

Von Söder ist bekannt, dass er seine Ortstermine mit Sorgfalt wählt. Südostbayern stand in der Vergangenheit nicht immer im Fokus der Staatskanzlei. Söder ist offenbar gewillt, das zu ändern. Er war in diesem Jahr bereits in Gendorf und Burghausen, wo die dort ansässige Chemieindustrie um bessere Standortbedingungen kämpft. Es sieht so aus, als habe Söder sein Herz für diese Region entdeckt. Das Schwindegger Holzwerk bot sich als Location für diese politische Kontaktpflege an.

So gilt die Firma Obermeier in der Region als Musterbetrieb in Sachen Ausbildung, beruflicher Integration Geflüchteter und Nachhaltigkeit. Zudem liegt das Unternehmen neben dem inzwischen bundesweit bekannten Schienenprojekt ABS 38, auf das die Region seit 30 Jahren wartet. Und schließlich war Obermeier-Osl eine ideale Gesprächspartnerin für den eigentlichen Anlass von Söders Besuch: die Vorstellung des Projekts „Wirtschaftsraum und Innovationsachse A94“.

Für die A94, Bayerns jüngste Autobahn, hatten sich die IHK für München und Oberbayern, der IHK-Regionalausschuss Altötting – Mühldorf und seine Vorsitzende viele Jahre lang eingesetzt. Nun steht die Autobahn, was nicht alle glücklich macht. Die Klagen über die Lärmbelastung sind auf einigen A94-Abschnitten so massiv, dass Söder 2020 selbst eingriff. Er sagte Anwohnern ein Tempolimit von 120 km/h ebenso zu wie den großzügigen Bau von Lärmschutzwänden.

Das Problem: Die Autobahndirektion sieht keinen Handlungsbedarf, weil Grenzwerte für Lärmschutz nicht überschritten werden. Das Tempolimit wurde vom Verwaltungsgericht gekippt. Betroffene Bürger, Kommunen und auch Landtagsabgeordnete fordern unverändert Lösungen. Die gute Nachricht aus Schwindegg: Was Mühldorfs Landrat Max Heimerl (CSU) im Innovationsraum des Holzwerks Obermeier präsentierte, hat das Potenzial zum großen Wurf.

Entsprechend groß war das Interesse. Im Innovationsraum des Holzwerks ballte sich die Prominenz der regionalen Politik und Wirtschaft, auch der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer (CSU) war dabei. Landrat Heimerl ließ sich dann nicht lange bitten. Er betonte den Ehrgeiz, den man in der Region hat. Er sprach von einem bayernweit einzigartigen Projekt, das zur Blaupause für die Zukunft ganz Deutschlands werden könne.

Was Heimerl vortrug, klang wirklich gut: Interkommunale Zusammenarbeit, die Verbindung von Lärmschutz-Elementen und Photovoltaik, aus der Autobahn soll eine „Lebensader“ werden, Schnellladestationen und Wasserstoff-Tankstellen sollen künftig die A94 säumen, entlang der Autobahnen sollen sich innovative Betriebe ansiedeln, ohne dass Flächen für die Landwirtschaft verloren gehen. Der Widerstand gegen Windräder soll verschwinden, in dem man aus betroffenen Bürgern finanziell beteiligte macht.

Kurz: Der Landkreis Mühldorf will die große Transformation, vor der das Land steht, nicht erleben, sondern von der Spitze aus mitgestalten. Heimerl berichtete, gemeinsam mit Stephan Mayer habe man in den zuständigen Bundesministerien schon vorgefühlt. Mit der Innovationsachse A94 liege man voll im Trend. Die Ampel plane bundesweit Ähnliches. Die Chancen seien also da, man müsse sie entschlossen anpacken. „Jetzt gilt’s!,“ betonte Heimerl.

Mühldorfs Landrat machte aber ebenso klar, dass der Landkreis das alleine nicht stemmen könne. Die Flächen neben der Autobahnen gehörten dem Bund. Auch die Tatsache, dass ein A94-Abschnitt von einer privaten Gesellschaft betrieben werde, mache die Gespräche mit Berlin nicht einfacher. Heimerl bat Söder um Unterstützung einer Machbarkeitsstudie – und Söder sagte sofort zu.

„Wir machen das komplett“, versicherte der Ministerpräsident unter dem Applaus der Teilnehmer. Und dies selbst dann, wenn er mit seiner Entscheidung Schockwellen in Bayerns Ministerien auslöse. Söder räumte politische Fehler ein. Die A94 sei viel zu spät gebaut worden. Aufgrund der jahrzehntelang schlechten Verkehrsinfrastruktur und fehlender direkter Flughafenanbindung habe sich Südostbayern wirtschaftlich schlechter entwickelt als andere Regionen Bayerns.

Söder nannte das, was Heimerl vorgetragen hatte, „kluge Ideen“, die dem Landkreis zu einer „Blut-Auffrischung“ und einer höheren „Entwicklungsgeschwindigkeit“ verhelfen würden. Man müsse es nur clever machen, mahnte Söder. Wenn man nur 20 neue Logistiker entlang der A94 ansiedele, werde die Region schwerlich Richtung Zukunft abheben. In dem Landkreis stecke viel Potenzial, das man nutzen müsse. Die Staatsregierung trage dazu bei. „Die Region wird mega-spannend“, versicherte Söder.

IHK-Regionalausschussvorsitzende Obermeier-Osl erinnerte daran, dass die Region neben Zukunftsvisionen dringend auch die Bestandspflege brauche. Es sei sinnlos an einer Ecke Südostbayerns Innovationen zu fördern, wenn gleichzeitig Unternehmen aus dem Chemiedreieck verschwinden würden. Obermeier-Osl warnte, die angekündigte Schließung der 3M-Tochter Dyneon in Gendorf könne einen „Domino-Effekt“ auslösen. Das, was der Niedergang von Stahl und Kohle im Ruhrgebiet ausgelöst habe, würde sich dann in Südostbayern wiederholen.

Obermeier-Osl und ihr Stellvertreter Reinhard Frauscher überreichten Söder das Positionspapier, das der IHK-Regionalausschuss am 16. März dieses Jahres einstimmig beschlossen hatte. Der Ausschuss fordert darin zwei Dinge: Die Produktion von Fluorpolymeren im Chemiepark Gendorf muss weitergehen. Und ein PFAS-Verbot darf es nur dort geben, wo es alternative Stoffe dafür gibt.

Obermeier-Osl bedankte sich bei Söder für dessen Brief an den US-Konzern, in dem er sich ebenfalls für den Erhalt der Produktion von Fluorpolymeren in Gendorf ausgesprochen hatte. Söder nahm den Dank gerne an und bot den Teilnehmern – es ist ja auch Wahlkampf – eine Generalabrechnung mit seinen Lieblingsgegnern, der Ampel und den Grünen.

Ideologie, sagte Söder auf dem Podium, sei immer falsch. Fortschritt sei ohne Technik nicht zu haben. Mit dem angekündigten Verbot der Fluorpolymere nehme sich die EU bei Schlüsseltechnologien und wichtigen Produkten selbst aus dem Spiel. Wenn er nach Berlin und Brüssel blicke, denke er spontan an den Song Major Tom der Neuen Deutschen Welle: Völlig losgelöst von der Erde.