Einblicke in den Alltag einer Chefin
„Das war richtig cool“
Holzwerkchefin und IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl erklärt Schülerinnen, was das heißt: eine Unternehmerin mit Verantwortung zu sein.
Ihr „Papa“, sagte Sara habe das Ganze eingetütet. Gut, die Lehrer ihrer achten Klasse der Realschule in Haag hätten auf den Girls‘ Day 2022 hingewiesen. Aber der eigentliche Impuls sei von Ihrem Vater gekommen. Der hatte sich die Liste der teilnehmenden Unternehmen angeschaut – und das Schwindegger Holzwerk Obermeier entdeckt.
„Er wollte unbedingt, dass ich da hingehe“, berichtete Sara. Sie hatte danach aus ihrer Klasse die Marina und Sabrina zum Mitkommen überredet. Die drei Realschülerinnen hatten zuvor noch nie eine große Firma von innen gesehen. Als viertes „Girl“ kam Hannah dazu.
Mit 12 ist Hannah rund zwei Jahre jünger als die Realschülerinnen. Hannah besucht das Ruperti-Gymnasium in Mühldorf. Hannah war an diesem 28. April auch aus verwandtschaftlichen Gründen dabei. Ihr Onkel arbeitet im Holzwerk als Prokurist. Die Chance, seine Firma kennenzulernen, wollte sie unbedingt nutzen.
Auch eine Initiative der IHK für München und Oberbayern hatte diese Chance ermöglicht. Das eigentliche Ziel des bundesweiten Aktionstags Girls‘ Day ist es, Mädchen für technische Berufe zu begeistern. Die IHK hatte sich für diesen Tag aber noch ein größeres Ziel gesetzt. Unter dem Slogan „Ich werde … Chefin!“ sollten Mädchen motiviert werden, selbst ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen.
Die IHK setzt auf die Kraft des Vorbilds. 62 oberbayerische Unternehmerinnen hatten sich bereit erklärt, für 408 Schülerinnen der achten Klasse als „Role-Model“ zur Verfügung zu stehen. Schon das ein beachtlicher Erfolg, wenn man bedenkt, wie knapp die Zeit für Unternehmerinnen ist.
Holzwerk-Chefin Ingrid Obermeier-Osl war sofort bereit, mitzumachen. Sie hatte sich gut auf den Besuch von Sabrina, Hannah, Sara und Marina vorbereitet. Die Unternehmerin hatte für diesen Tag eigens einen VW-Bus organisiert, die Führungskräfte und den Empfang informiert. Wie ernst Obermeier-Osl den Termin nahm, zeigte sich im Detail.
Im Innovationsraum ihres Holzwerks wurden die Schülerinnen auf dem Whiteboard auch noch schriftlich begrüßt. Natürlich gab es Butterbrezn und Säfte. Und die Firmenchefin gab gleich zu, dass sie sich in den Tagen zuvor noch im Bett die Frage gestellt habe: „Was könnte Euch interessieren?“
Obermeier-Osl lud ihre jungen Gäste dazu ein, ganz offen Fragen zu stellen („Es sind ja heute keine Lehrer dabei“). Die Vorstellungsrunde machte klar, dass es durchaus Anknüpfungspunkte zwischen den „Girls“ und der „Wirtschaft“ gibt.
Der Vater Saras etwa hat lange Zeit als Elektriker für ein großes regionales Unternehmen gearbeitet. Marinas Vater ist in einer Autowerkstatt tätig, ihr Onkel hat eine Landwirtschaft. Und Sabrina weiß aus eigener Erfahrung, dass ein Unternehmer keinen fixen Acht-Stunden-Tag hat. Ihr Vater führt ein Handwerksunternehmen. „Manche rufen schon morgens um fünf Uhr früh bei uns an“, sagte Sabrina.
Was dem Gespräch sehr gut tat, war die Offenheit mit der Obermeier-Osl über sich persönlich sprach. Das machte sehr anschaulich, was unter einem Familienunternehmen und Traditionsbetrieb zu verstehen ist. Die Schülerinnen konnten dank Bild-Präsentationen im Zeitraffer verfolgen, wie sich das Geschäft über drei Generationen entwickelte.
„Das ist meine Wiege“, erklärte Obermeier-Osl. Sie erzählte auch aus der Zeit, als sie selbst Kind und Schülerin war, als es in der Region noch keine Kindergärten gab. Bis zum Abitur besuchte Obermeier-Osl neun Jahre lang ein katholisches Internat in Landshut. Sie empfand das nicht als Opfergang, im Gegenteil: „Das war eine schöne Zeit.“
Schon als Mädchen entwickelte Obermeier-Osl Eigenschaften, von denen sie heute als Unternehmerin profitiert. „Ich habe lieber mit dem Kaufladen als mit Puppen gespielt“, sagte sie den Mädchen. Im Internat hat sie eine verbotene Mitternachtsparty mit „Tri Top und Chips“ organisiert – und federführend schon damals durchgesetzt, dass die Schülerinnen an den Wochenenden wöchentlich statt 14 tägig zu den Eltern heimfahren dürfen.
Mit knapp 17 hatte sie ihren ersten Freund aus dem Schwindegger Ortsteil Walkersaich, der später ihr Mann werden sollte und mit dem sie letztendlich gemeinsam das Unternehmen erfolreich in die Massivholzplatten-Aera führte.
Auch deswegen wollte Obermeier-Osl nach dem Abitur nicht studieren, sondern gleich eine Ausbildung als Steuerfachgehilfin als Grundlage für die Unternehmensnachfolge beginnen. Führung, das tägliche Kundengeschäft aber auch die Nähe am Mitarbeiter waren ihr stets wichtig – das spiegelt sich stets auch in ihren Weiterbildungsbereichen- von den sie erzählt- wieder. „Ich bin schon mit Zahlen aber auch mit dem Hang zu Sprachen (wie dem Italienischen das sie am Girls Day später dann spricht) aufgewachsen“, sagte die Firmenchefin ihren jungen Gästen. Geschadet hat das ihrem Unternehmen sicher nicht.
Obermeier-Osl erklärte den Mädchen, was auch viele Schwindegger nicht wissen – in welchen Produkten das Holz von Obermeier steckt. Die Palette reicht von Paidi-Kinderbetten über Haba-Holzspielzeug bis hin zur Wohnwand von Team 7. Der Rundgang über das Werksgelände machte deutlich, wie viel Arbeitsschritte und Präzision es braucht, um aus einem Stamm eine Platte zu machen, die millimetergenau auf einen Schreibtisch passt.
Was den Schülerinnen besonders gefiel, war die nachhaltige Produktion des Werks. Nicht das kleinste Stückchen Holz wird verschwendet. Die Stämme kommen nur aus deutschen Beständen, in denen mindestens so viel Bäume gepflanzt wie geschlagen werden. Das hilft auch dem Klima. Ein bewirtschafteter Wald bindet 15 Prozent mehr CO2 als ein reiner Naturwald.
Obermeier-Osl erklärte den Schülerinnen anschaulich, dass zum Unternehmertum auch das gehört: Verantwortung übernehmen. Das gilt natürlich in erster Linie für die rund 180 Mitarbeiter, an denen letztendlich 180 Familien hängen. Da braucht es schnelle Chef-Entscheidungen über Urlaubstage und Lohnvorschuss, wenn es Probleme in der Familie gibt.
Das Holzwerk hat für seine Mitarbeiter ferner getan, was es nicht tun müsste: für sie Wohnungen gebaut und Grundstücke zur Verfügung gestellt. Mit dem VW-Bus hat Obermeier-Osl die Schülerinnen an diesem 28. April zu dem firmeneigenen Sägewerk in Babensham gefahren, das 2007 so gut wie tot war. Obermeiers haben das Werk gekauft und dort Arbeitsplätze reaktiviert und neue geschaffen- heute sind dort 20 Mitarbeiter beschäftigt.
Weitere Überraschung für die Schülerinnen: wie viel Hightech heute in der Holzproduktion steckt. Im Obermeier-Werk in Babensham, wo heute Paletten für große Lebensmittelhersteller und Chemiebetriebe aus dem südostbayerischen Raum hergestellt werden, arbeiten mehrere vollautomatische Roboterarme des bundesweit bekannten Maschinenbauers Kuka.
Schließlich berichtete Obermeier-Osl den Schülerinnen über eine Leidenschaft, die nicht alle Firmenchefs teilen: das Ehrenamt. Ihren Worten zufolge hat das 1982 bei den Wirtschafsjunioren angefangen, danach kamen immer neue Aufgaben dazu – im Gewerbeverband/Bund der Selbständigen, in der Kommunalpolitik und vor allem leidenschaftlich auch in der IHK.
Als heutige Vorsitzende des Regionalausschusses Altötting-Mühldorf vertritt Obermeier-Osl das Interesse von rund 14.000 Mitgliedsunternehmen aus Altötting und Mühldorf. Sie ist zudem IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des IHK-Ausschusses Unternehmerinnen. Was das heißt, erklärte Obermeier-Osl den Schülerinnen am Beispiel der Chemieindustrie Südostbayerns. Auch als Folge des Ukraine-Krieges sind die Stromkosten so hoch, dass der gesamte Standort akut bedroht ist.
Direkt betroffen sind die Chemieunternehmen (X). Werden die nicht gerettet, leiden auch Zulieferer, Handwerk, Handel und Dienstleistungen in der Region und könnten bis zu 50.000 Jobs gefährdet sein. Die Unternehmerin warnte, auch die Familien der vier Schülerinnen könnten die Folgen eines Abzugs der Chemieunternehmen spüren.
Obermeier-Osl bot den Schülerinnen sogar einen Einblick in ihren Terminkalender dieser Woche. Da war auch neben dem Unternehmen fast keine Stunde mehr frei, da ging es Schlag auf Schlag: Krisentelefonat mit dem Landrat zum Thema Chemieindustrie, Gemeinderatssitzung, Diskussion im Landtag mit dem Arbeitskreis Frauen der CSU-Fraktion, Girls Day, Treffen des IHK-Präsidiums, Präsenz auf regionaler Berufsbildungsmesse und so weiter.
Keine Frage also, unternehmerische Freiheit und Engagement haben ihren Preis. Obermeier-Osl betonte vor den Schülerinnen aber den großen Vorteil: die Chance, Dinge selbst entscheiden, gestalten und verändern zu können.
Und natürlich hatte sich die Unternehmerin für den Girls‘ Day bei Obermeier ein passendes Finale ausgedacht – das abschließende Pizza-Essen in der L`Osteria da Christian am Penzinger See, wo Obermeier-Osl ihre Italienisch-Kenntnisse unter Beweis stellte. Auf der schönen Terrasse in der warmen Frühlingssonne erzählten die Mädchen dann auch etwas mehr von sich.
Hannah zeigte dem Autor, wie ein Smartphone funktioniert. Sabrina meinte, der Tag sei eine schöne Abwechslung zum Schulunterricht. Sie kann sich vorstellen, mal den Betrieb ihres Vaters zu übernehmen. Marina möchte beruflich etwas mit Tieren machen. Und Sara sagte über den Tag mit der Unternehmerin: „Das war richtig cool. Vor allem das mit der Nachhaltigkeit fand ich gut.“
Damit schloss sich der Kreis: Das Holz für die bemerkenswert gute Holzofen-Pizza liefert natürlich auch das Holzwerk Obermeier.
Text: Martin Armbruster